Die Krawatten-Kontroverse – Brauchen Sie diesen Brauch?

Weiberfastnacht: ein Brauch aus dem 19ten Jahrhundert, der die Fastenzeit abschließen und den Straßenkarneval einläuten soll. 1824 schlossen sich Wäscherinnen aus dem Bonner Stadtteil Beuel zusammen und gründeten ein Damenkomitee. Dies taten sie, um sich die Teilnahme am bis dahin rein männlichen Karneval zu erkämpfen. Seitdem erstürmen die sogenannten Möhnen nach dem großen Weiberfastnachtsumzug das Beueler Rathaus als Zeichen der Regimentsübernahme. Und auch wenn die Weiberfastnacht in vielen Regionen im Rheinland und Westfalen nur ein Vorfeiertag ist, so gehört dieser Tag allein den Frauen. An diesem Donnerstag vor dem Aschermittwoch dürfen die Damen den Männern die Krawatte abschneiden und somit die männliche Macht beschneiden.  Den Krawattenträgern geht es sprichwörtlich an den Kragen.

Natürlich müssen die Männer vor der Beschneidung gefragt werden. Allerdings wird allgemein angenommen, dass die Herren mit dem Brauch einverstanden sind, sofern sie sich auf dem Karneval befinden. Immerhin werden sie mit einem Küsschen dafür entschädigt. Dieses als altbacken konnotierte Szenario hat nicht nur Sympathisanten. Viele Herren der Schöpfung überlegen vor dem Ende der Fastenzeit tatsächlich, welche Krawatte sie opfern möchten. Dazu hat sich ein findiger Hersteller von Krawatten etwas einfallen lassen.

Theodor Mahler, Inhaber des Kölner Modegeschäfts “Boutique le Chique – Alles für den Mann”, hat entschieden dieses Jahr bereits beschnittene Krawatten zu veräußern. Diese kommen gesäumt daher und geben einen schönen Krawattenstumpf ab. Für einen Teil des Preises einer herkömmlichen Krawatte können sich die Herren damit ausstatten lassen. Dabei müssen sie aber im gleichen Zug auch auf das Küsschen als Entschädigung verzichten. „Die Idee kommt gut an.“, so Mahler. Sein Sortiment ist beinahe ausverkauft, da er die Idee schon seit Anfang November letzten Jahres bewirbt.

Und auch die Veranstalter freuen sich über Mahlers Idee. Im Zuge der Tradition sei es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu Verletzungen gekommen. Durch den Alkoholpegel der Scheren-schwingenden Damen erlitten die männlichen Opfer offenbar mehrmals Wunden an Bauch und Brust. Wenn sich die Entwicklung mit der bereits beschnittenen Krawatte durchsetzt, könne das zu weniger Unfallopfern führen. Das jedenfalls nehmen Befürworter des Accessoire an. Laut Umfragen gibt es viele männliche Teilnehmer der Festivitäten, die um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten.

Im Gegensatz dazu haben sich seit der Werbung für dieses alternative Stück Stoff auch Frauen zu Wort gemeldet, die unterschiedlicher Meinung sind. Zum einen gibt es jene Damen, welche die Idee unterstützen. Sie  sind der Meinung, dass Frauen nicht genötigt sein sollten, Küsse nach dem Akt der Tradition verteilen zu müssen. Ihrer Meinung nach, sei das ein Konstrukt des Patriarchats, das schleunigst verboten werden sollte.

Auf der anderen Seite gibt es jene Frauen, die sich durch die Idee ihres Rechts beraubt sehen, eine geschlechtliche Balance herzustellen. Sie möchten diesen langjährigen Brauch nicht aufgeben, um weiterhin durch diesen auf die fehlende Gleichberechtigung hinzuweisen.

Wir werden sehen, ob die Damenwelt sich die Errungenschaft der symbolischen Entmachtung der Männer wegnehmen lässt oder ob diese Idee zu einem neuen Trend avanciert.

Unter dem Deckmantel des Feminismus

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