Halberdachtes von HENMAN – Zuständigkeit – Kolumne

Die Zuständigkeit: Ich kann mich ja nicht um alles kümmern. Manchmal ist die Margarine leer. Vergessen Nachschub zu organisieren. Dann muß die Zweitbesetzung ran. Senf als würziges Streichfett. Lecker geht anders. Aber anders geht es gerade nicht. Ich kann mich schließlich nicht um alles kümmern. Manchmal lacht mich so ein dämlicher Smiley vom Küchenfenster an. Habe ich dort puppenlustig mal rangeschmiert. Danach das Fensterputzen versäumt. Nun hält sich jeder dahergelaufene Nudelwasserdampf für Picasso und kopiert mein Werk. Nervt schon irgendwie, aber ich kann mich ja nicht um alles kümmern.

Manchmal sieht man ein Gespann von Mutter und Kind auf der Straße, bei dem man schon weiß, daß der Ofen aus ist. Also für das Kind. Das bräuchte eigentlich so einen eigenen „Afrika. Wir haben Hunger.“- Spot. Weil es geistig verhungert und Mama ihm nicht mal das Wasser reichen kann. Traurig, aber ich kann mich ja nicht um alles kümmern. Manchmal vergesse ich den Nagel am rechten Ringzeh zu schneiden. Eigentlich vergesse ich alle zu schneiden, aber nur dieser macht Probleme. Er schneidet dann nämlich beim Laufen in den Mittelzeh. Am Abend finde ich mein Wegpensum dann in blutiger Zeichnung niedergelegt. Schmerzt auch ganz schön. Aber ich kann mich ja nicht um alles kümmern. Manchmal wundert man sich schon, wie die komplexe Topographie eines Körpers und das Entfernen seiner Behaarung zusammenpassen sollen. Wieviel Zeit für Strategien und Logistik in diesem Bereich verschwendet und der Volkswirtschaft vorenthalten wird. Aber ich kann mich ja nicht um alles kümmern.

Manchmal bekomme ich einen Brief von der GEZ. Nennt sich jetzt Beitragsservice. Mahnung. Weil ich nichts zum Service beigetragen habe. Nicht, daß die ARD noch schließen muß. Jedoch kann ich mich ja nicht um alles kümmern. Manchmal schleppe ich berufsbedingt fünfzig Briefe zum Postamt. „Tach auch, eine Runde Marken bitte!“. Dann klebe ich die Postwertzeichen gemeinsam mit der Gelbbejackten noch am Schalter auf die Versandobjekte. Ruckzuck rumort die wartende Reihe der Sendungsbereiten. Ist aber irgendwie nicht meine Schuld, daß die Besatzung der beiden anderen Schalter gerade ein angeregtes Pläuschen über die Paketvorschriften von Finnland hält. Ich kann mich ja nicht um alles kümmern. Manchmal schreien mich Leute auf der Straße unvermittelt an. Tasten und Tätscheln und Fummeln an mir rum. Versuchen verzweifelt meine Aufmerksamkeit zu erregen. Richtig pampig können die werden. Und alles nur, weil der sackförmige Zuschnitt meiner Kapuze die Kopfhörer darunter verbirgt. Kann man sich aber wohl denken. Schließlich kann ich mich ja nicht um alles kümmern.

Manchmal werden schmatzende Luftküsse und Augengezwinker und Brauengewackel und Kopfgenicke nicht als schmeichelnde Beiwohnungsaufforderung verstanden. Ja gar als Belästigung diffamiert. Wo soll das noch hinführen? Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Ohnehin kann ich mich ja nicht um alles kümmern. Manchmal ist irgendein runder Geburtstag. Oder eine goldene Hochzeit oder Taufe oder Haustierbeerdigung. Meistens steht dann hinten am Tisch eine schon leicht angeschickerte Großtante auf, die man nur zu diesen Anlässen sieht. Sie hat ein Gedicht vorbereitet. Und als ob die lauen Witzchen des Vortrages nicht schon Grund genug wären sich einen Strick zu kaufen und zu erschießen, kann die Gute auch nicht zählen. Hat ihr ja auch keiner erzählt, daß Verse Mathematik sind. Erster Satz 7 Silben, zweiter 18. „Ja unser guter Ottokar, wird heut´ recht überraschend für alle Anwesenden schon fünfzig Jahr!“ Und dabei grinst sie dusselig selbstzufrieden. Scheußlich. Aber ich kann mich ja nicht um alles kümmern. Habe schließlich schon mit mir selbst genug zu tun.

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