Halberdachtes von HENMAN – Fünfte Jahreszeit

Jahreszeit: Ein jedes Jahr zur selben Zeit, kaum Schneeglöckchen im Wiesenkleid, macht sich ein dumpfer Trupp bereit, auf das man Schabernack schalmeit. Die Witze alt, die Gäste dicht,
man grinst sich blöd ins Angesicht, wenn vorne so ein Seppel spricht, und wieder mal ein Tusch losbricht. Dann hakt man sich beim Nebenmann, schön an die Ellenbeuge ran, schon wird mit Schunkeln angefang´n, willkommen in Absurdistan.

Auch wenn er es wahrscheinlich nicht gerne hört und vermutlich sogar abstreiten wird, aber im internationalen Vergleich ist der Deutsche doch schon eher der Typ mit dem Stock im
Arsch. Der Streber im Rollkragenpulli, der den Lehrer fragt, wann die Hausaufgabenkontrolliert werden. Immer alles hübsch nach Handbuch. Daher ist sogar der Exzess außerordentlich gut durchorganisiert. Schließlich ist Planung alles. Selbst wenn es um eine Veranstaltung geht, die eine recht durchschaubare Daseinsberechtigung hat. So ist also sogar
der Karneval in seinem Ablauf streng geregelt, obwohl er eigentlich auch nur eine weitere Ausrede zum Saufen ist. Und dann besoffen zu vögeln.

Da jeder vorher schon weiß, dass die ganze Sache in komatöser Peinlichkeit endet, verkleidet man sich auch. Als Alibi und gewissermaßen Tarnung. Heute bist du mal nicht der Klaus-Dieter von der Tankstelle, sondern eben ein leicht übergewichtiger Cowboy mit etwas zu kleiner Lederimitatsweste. Heute bist du mal nicht die Bärbel von der Aldikasse, sondern eine nuttige Krankenschwester mit Plastikstethoskop. Das sind jedoch nicht nur Verkleidungen. An diesem Abend seid ihr gänzlich andere Menschen und damit für eure Entscheidungen nicht verantwortlich zu machen. Also könnt ihr ruhig darüber lachen, wenn das „Männerballet“ auftritt. Mittelalte Herren mit Vollbärten und Halbglatzen, die ihre Bierranzen in engst­anliegenden Stretch wuchten und ihre Fortpflanzungszone nur unzureichend mit einem Tutu abdecken. Dann wird ungelenk und asynchron zu Schwanensee über die Bühne gestolpert. Frohsinn, Frohsinn, Schelmerei.

Wer vorher nicht dumm genug war diesem Schwachfug zu applaudieren, hat hoffentlich schon ein paar Underberg/Red Bull intus. Schließlich ist das heute egal. Zicke Zacke Hühnerkacke. Noch ein Kurzer. Zur Mitte, zur Titte, zum Sack. Noch ein Doppelter. Und dann der Tischnachbarin mal unverbindlich das Gesäuge abtasten. Ihrer gespielten Entrüstung weißt du geschickt mit einem Fingerzeig auf das Namensschild an deiner Brust auszuweichen. „Buseninspektor“ hast du dort niedergeschrieben und damit gleichzeitig alle Rechte und Pflichten dieser verantwortungsvollen Position übernommen. Glücklicherweise kannst du das auch der, eben schon mal testweise inspizierten, Nachbarin glaubhaft versichern. Zehn Minuten später wackelt der Garderobenständer rhythmisch mit, während ihr beide dahinter die natürliche Selektion herausfordert. Grinsend schlussfolgern die Anwesenden, dass hier kein lokal streng begrenztes Erdbeben die Mäntel zum Schwingen bringt. „Ich glaub ́ mein Hamster bohnert!“, sagt einer. „Ne ne “, antwortet ihm ein Anderer, „ich glaube das sind Jochen und Christina“. Ansonsten beachten sie das Geschehen nicht weiter. Schließlich ist heute ja Karneval.

Die Stöcke in euren Ärschen sind schön in Obstler aufgeweicht und dank formidabler Maskerade kann hier anonym nicht nur auf die Pauke, sondern vermutlich das gesamte Schlagzeug, gehauen werden. Heute ist Fasching und ihr lasst hübsch die Kuh fliegen. Morgen dann, wenn das Sonnenlicht quietschend deine Lider auffräst, ist wieder Alltag und all das hier nicht geschehen. So sind die Regeln beim gut organisierten deutschen Exzess. Auf zur Polonaise!

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